Zum ersten Mal werden diesen Sommer entlang des Stausees Ottenstein und der Burgruine Lichtenfels Skulpturen von acht nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen sein. Die gemeinsam von Gründerin Olivia Thurn-Valsassina und dem Wiener Galeristen Emanuel Layr kuratierte Ausstellung verbindet künstlerische Positionen verschiedener Generationen und Regionen.
Unter freiem Himmel installiert, entwickeln die zeitgenössischen Werke ihr jeweils eigenes Verhältnis zur Natur und der Umgebung des Waldviertels. Das Areal von Lichtenfels Sculpture erstreckt sich über eine Fläche von insgesamt drei Hektar und ist vom 12. Juni bis zum 17. Oktober 2021 für alle Besucherinnen und Besucher frei zugänglich.
Nina Beier (3)
Stano Filko (7)
Lena Henke (4)
Benjamin Hirte (2)
Yu Honglei (5)
Dominique Knowles (6)
Nancy Lupo (1)
Heimo Zobernig (8)
Nancy Lupo (1)
*1983 in den USA, lebt und arbeitet in Los Angeles
Bench 2019, 2019
Terazzo, Stahl, Pantone PMS 350U pulverbeschichtet, Schrauben, Kunststoffkappen, verchromte Sternschrauben, 56 × 139 × 66 cm
Die verschiedenen Interpretationsschichten, die ein Material in unterschiedlichen Kontexten tragen kann, spielen eine wesentliche Rolle in Nancy Lupos Werk. Dafür übernimmt sie Oberflächen, Farben und Formen von bestehenden Objekten, modifiziert sie und versetzt sie an einen anderen Ort, an dem sie oft fremd oder fehl am Platz wirken.
Seit 2015 produziert Nancy Lupo jedes Jahr eine Sitzbank, die sich immer auf eine bereits bestehende Sitzgelegenheit in einem städtischen oder kommerziellen Raum bezieht. Das hier ausgestellte Stück, wie alle in der Serie etwas kleiner skaliert als ihr Vorbild, verweist auf eine Bank am Hauptbahnhof in Rom. An ihr zeigt sich das Verständnis der Künstlerin von Materialität als einer zwiebelartigen Schichtung von Oberflächen mit wechselhafter Bedeutung, je nach dem wo und von wem sie betrachtet oder benutzt werden.
Benjamin Hirte (2)
*1980 Deutschland, lebt und arbeitet in Wien
The arcade tool, 2021
Carrara Marmor, 85 x 120 x 20 cm
Für seine Werke löst Benjamin Hirte standardisierte Details aus ihren architektonischen oder sprachlichen Kontexten heraus und überführt sie in den Ausstellungsraum, wo sie als Zeichen auf ihre soziale und politische Genese verweisen.
Die skulpturale Nachbildung und Doppelung eines Duschbeckens mit vier Abläufen aus Carrara Marmor, liegt schwer auf dem flachen, bewaldeten Plateau, das in den Stausee Ottenstein hinausragt. Trotz seines Transfers aus dem privaten Innen- in den öffentlich zugänglichen Außenraum, wo es den Witterungen, ohne Anschluss an Kanalisation oder Duschbrause, ausgesetzt ist, bleibt die Grundfunktion des Beckens erhalten: das Auffangen und Umleiten von Abwasser. Durch die Doppelung erhält das Objekt, das sich skulptural in eine minimalistische Tradition einreiht, eine verstärkt symbolische Ebene, die auf gesellschaftliche Konflikte um den Zugang zu grundlegenden Infrastrukturen verweist.
Nina Beier (3)
*1975 Dänemark, lebt und arbeitet in Berlin und Kopenhagen
Guardian, 2020
Marmor Wächterlöwe, Sand, 180 x 120 x 50 cm
Kontraste und Brüche kennzeichnen die Arbeit von Nina Beier. Sie untersucht Objekte, die mit problematischen und vielschichtigen Geschichten aufgeladen sind und die eine Transformation in Bezug auf ihre Intention, Produktion, Distribution und ihren Gebrauch erfahren haben. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf Dingen, die zusammengebrochene Systeme repräsentieren. Sie werden von der Künstlerin obduziert, um die ökonomischen und sozialen Machtstrukturen freizulegen, die sie verkörpern.
Die zum Teil unter dem Sand des schmalen Strandes verschüttete Löwenskulptur aus Marmor kann kulturhistorisch auf eine lange Geschichte zurückblicken. Sie ist über die Jahrtausende von Griechenland über Indien nach China und weiter nach Italien gereist und hat sich auf dem Weg verändert, sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Bedeutung. An einem Ort stehen die Löwen für Schutz, an einem anderen für Macht und Prestige. Heute ist der Löwe vor allem ein Sinnbild für die Globalisierung, denn die meisten seiner Art werden in China produziert. Beiers auf den ersten Blick einfache Manipulationen zeigen die gegensätzlichen Strukturen und die Vielschichtigkeit der Dinge, mit denen wir uns umgeben.
Lena Henke (4)
*1982 Deutschland, lebt und arbeitet in New York und Berlin
Las Pozas, 2017
Aluminium, 160 x 248 x 140 cm, 160 x 278 x 148 cm
In ihren Werken untersucht Lena Henke die Bedingungen und Möglichkeiten der Bildhauerei und lotet die Grenzen von Materialien und Formen aus. Dabei stehen vor allem Fragen zu gesellschaftlichen und architektonischen Machtverhältnissen im urbanen Raum im Mittelpunkt.
Zwei ovale, 160 cm hohe Skulpturen aus Aluminium stehen zentral in der Burgruine Lichtenfels. An den Bäumen und Wänden über ihnen sind Panoramaspiegel installiert, mit deren Hilfe sich die innere Form der Arbeiten ausmachen lässt. Wer in sie hinein blickt, wird gleichsam von zwei großen Augen angeschaut. Die Arbeiten zeugen von Henkes Beschäftigung mit Skulpturengärten als großflächige Projekte einzelner, meist männlicher Künstler. Ihr Titel ist dem skulptural-architektonischen Gesamtkunstwerk von Edward James und Plutarco Gastélum entlehnt, das sie zwischen 1962 und 1982 im mexikanischen Dschungel errichteten. Während sich ihr Werk jedoch behutsam in die Natur vor Ort einfügt, verstellen Henkes Aluminium Augen hier selbstbewusst den Weg, fordern zum Blickduell auf und machen damit den Betrachtern ihre eigene körperliche Anwesenheit bewusst.
Yu Honglei (5)
*1984 China, lebt und arbeitet in Beijing
#4, 2018
Messing, Stahl, Eisendraht, Papier, Hirse, Reis, 117 x 53 x 64 cm
Die Skulpturen von Yu Honglei nehmen in einer Vielzahl von Medien und Materialien Gestalt an. Dabei spielt für ihn die Flüchtigkeit der uns umgebenden Gegenstände und Bilder eine wesentliche Rolle. Aus ihnen entwickelt er Werke, die vielschichtige persönliche Erfahrungen und alltägliche Eindrücke aus dem urbanen China einfangen und auf poetische Weise miteinander verbinden.
In der Kapelle der Burgruine Lichtenfels steht auf einem kleinen Sockel eine zugleich plump und fragil erscheinende Skulptur. Neben den klassischen bildhauerischen Materialien Messing und Stahl, verwendete Yu Honglei hier Papier, Hirse und Reis. Dabei lässt die Oberfläche und die grobe Textur des Messings den Eindruck von primitiver Rohheit entstehen, während die Form der Skulptur an ein liebenswürdiges Emoji mit Chilischoten erinnert, die wie Rauch durch eine kleines Rohr aufsteigen. Mit Hilfe dieser Gegensätze untersucht der Künstler die Wirksamkeit des Visuellen auf unsere verkörperte Realität.
Dominique Knowles (6)
*1996 Bahamas, lebt und arbeitet in Chicago
Ode to Tazz, 2021
Grüner Granit, 89 x 58,5 x 10 cm
Der Künstler und Dichter Dominique Knowles veranschaulicht in seinen Arbeiten die uralte Verbundenheit und komplexe Intimität zwischen Mensch und Tier. Im Zentrum steht dabei das Pferd, das in seinen an Höhlenmalerei erinnernden Bildern sowie in seinen Gedichten und Videoarbeiten immer wieder aufscheint.
Ein in Granitstein gemeißeltes Gedicht erinnert an Tazz, das verstorbene Pferd des Künstlers. Die beiden verband, wie viele Pferde und Reiter, eine enge körperliche und mentale Verbindung. Die Gesten und Bewegungen, die dieses Verhältnis prägen, sind in einer Art Körpergedächtnis gespeichert, das der Künstler in seinen Werken sowohl auf gestische als auch auf sprachliche Weise abruft. Die Skulptur, an der spitzen Landzunge hinter der Burgruine Lichtenfels positioniert, erinnert an einen Grabstein oder ein Ehrenmal und steht damit sowohl für das Gedenken als auch für die Verehrung des tierischen Partners.
Stano Filko (7)
*1937 Tschechoslowakei – 2015 Slowakei
Pyramide, 1995
Kunststoffrohre, Farbe, 550 x 550 x 550 cm
Stano Filko war eine Schlüsselfigur der tschechoslowakischen Neo-Avantgarde. Sein Oeuvre basiert auf einer idiosynkratrischen, allumfassenden Kosmologie, die er ab den 1970er Jahren entwickelte. Als er 2015 starb, hinterließ Filko ein komplexes Werk, das auf sechs kosmologischen Dimensionen und 18 Chakren basiert, die sich inhaltlich und farblich voneinander abgrenzen.
Die Pyramide visualisiert die Verbindung der 3., 4. und 5. Dimension in Filkos Kosmologie. Sie stehen für die vier Elemente, die reine Zeit und das Nirwana. Im Laufe seines Lebens schuf Filko dutzende Pyramiden aus verschiedenen Materialien, wobei das Dreieck zum Symbol seiner Identität und die Pyramide damit zu einer Art Selbstporträt wurde.
Heimo Zobernig (8)
*1958 in Österreich, lebt und arbeitet in Wien
Ohne Titel, 2017
Bronze, 185 x 65 x 41 cm
Skulptur ist neben Malerei, Film, Performance und Gestaltung ein zentraler Bestandteil der medienübergreifenden Kunst Heimo Zobernigs. Er untersucht mit seinen Werken und räumlichen Interventionen die institutionellen und architektonischen Rahmenbedingungen des Kunstbetriebes. Zobernig setzt in seiner Arbeit Sprache, Objekt, Bild, Material, Form und Präsentation in einen vielschichtigen Zusammenhang.
Am äußersten Punkt des Areals von Lichtenfels Sculpture, einem felsigen Vorsprung, befindet sich Heimo Zobernigs Bronze. Dabei handelt es sich um eine männliche Figur, die statt auf, teilweise in einem Sockel steht. Zobernig experimentiert seit vielen Jahren mit Readymade-Schaufensterpuppen und begann 2015 in Bronze zu arbeiten sowie männliche und weibliche Komponenten zu verbinden und zusammen mit seinem eigenen Gesichtsabdruck zu gießen. Anstatt jedoch die Gusskanäle bündig zu schneiden und die Schweißnähte zu verschleifen, lässt der Künstler die Spuren der Herstellung bewusst bestehen. Die Sichtbarkeit des Produktionsprozesses verweist unweigerlich auf die Fragilität menschlicher Existenz.
Lichtenfels Sculpture 2021 was kindly supported by: